Sonntag, 26. Mai 2013

WILDREIS-SAUERTEIG-BROT - DAS BROT, DAS DEN KALTEN KRIEG BEENDETE



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 Falls ihr die Facebook-Gruppe "Baking 101" kennt, kennt ihr wahrscheinlich auch Danny Klecko's Blog "Last American Baker".

Klecko's Posts sind kurios und oft sehr lustig, und er scheint sie mit schnoddriger Schreibe voller Freude und ohne grosse Mühen zu produzieren (anders als eine neidische Bäckerin, deren Namen ich nicht preisgeben werde).

Ab und zu fügt er einem seiner Posts als Köder ein Rezept bei, um euch auch dann in seine Welt zu locken, wenn ihr denkst, ihr hättet bereits eine Überdosis Facebook genossen.

Das ist mir passiert, als ich dem Link mit der neugierig machenden Überschrift folgte: "Das Rezept, das den Kalten Krieg beendete".

Klecko beschreibt, wie vor 20 Jahren die Präsidenten Reagan und Gorbatschow einen Friedensgipfel in St. Paul, seiner Heimatstadt, abhielten. Und die Bäckerei, in der Klecko damals arbeitete, wurde offiziell damit beauftragt, ein Brot zu liefern, das die beiden Staatshäupter als Friedenssymbol miteinander brechen könnten. Der Job ging an Klecko, einen Laib zu finden, der einem Russen gefallen würde, aber in der Quintessenz amerikanisch - und dazu aus Minnesota - wäre.

Nach viel Blut und Schweiss und zahlreichen Gebeten an seinen "Polnischen Jesus", kreierte er:

Danny Kleckos Wildreis-Sauerteig-Brot

2 1/2 EL Instanthefe
2 3/4 Tassen Wasser
1 1/3 Tassen Ziegelsauerteig (dies bezieht sich auf eine mysteriöse polnische Mixtur aus Roggen, Weizenmehl und Kartoffelflocken)
1 EL Molasse
1/4 Tasse Honig
2 EL Essig
2 1/4 Tassen Vollkornweizenmehl
6 Tassen Weizenmehl
1/2 Tasse Kleie
1 EL Salz
1 Tasse gekochter Wildreis

So weit, so gut. Aber nun kommt es:

Bei 200-230ºC bis zu 30 Minuten lang backen.

Ein ziemlicher Temperaturunterschied! Kleckos Kommentar: er schätze ein knusprigeres Brot, und backe es bei 230ºC, aber viele Hobbybäcker würden es möglicherweise lieber bei 200ºC backen.

Ich wunderte mich über die geringe Menge Salz im Teig, und fragte Klecko deswegen. Er gab zu, mit Salzgehalt ein bisschen herumgespielt zu haben, um "weinerliche Amerikaner zu beschwichtigen, die das Brot sonst nicht essen würden, wenn sie das Gefühl hätten, es enthielte zu viel Salz".

Wildreis gibt dem Brot seinen besonderen Geschmack

Also hab ich mich daran gemacht, das Rezept metrisch "aufzubereiten", mir den Sauerteigstarter zu überlegen, und die Menge an (teurem) ungekochtem Wildreis auszurechen, die eine Tasse gekochten Reis ergeben würde - mit geringstmöglichem Überschuss.

Weil ich den Teig lieber langsam über Nacht im Kühlschrank aufgehen lasse - meine bevorzugte Methode - konnte ich auch die Menge an Trockenhefe reduzieren.

Hier ist nun meine Version des historisch bedeutsamen Brots (für nur zwei Laibe):



WILDREIS-SAUERTEIG-BROT (2 Brote)  (adaptiert von Danny Klecko's "Last American Baker")

SAUERTEIG
43 g Roggenanstellgut (100%)
53 g Vollkornroggenmehl
74 g Weizenmehl Typ 550
80 g Wasser, lauwarm

REIS
144 g Wasser
  37 g Wildreis (im Sieb abgespült und abgetropft)

TEIG
440 g Wasser (35ºC)
    5 g Trockenhefe (oder 15 g frische Hefe, entsprechend vorbereitet)
Anstellgut
gekochter Wildreis (mit etwa übriggebliebenem Wasser)
500 g Weizenmehl Typ 550
192 g Vollkornweizenmehl
  20 g Weizenkleie
  16 g Salz
  26 g Balsamessig
  13 g Zuckerrübensirup
  13 g Honig (wenn man es gern süsser hat)

1.TAG :

Morgens den Sauerteigstarter zubereiten: Zutaten vermischen, bis alles Mehl durchfeuchtet ist. 2 Minuten lang kneten. 5 Minuten ruhen lassen, dann 1 weitere Minute lang kneten. Zugedeckt bei Zimmertemperatur reifen lassen.


Der gekochte  Reis absorbiert noch mehr Wasser beim Abkühlen

Wildreis mit Wasser aufkochen, dann bei geringer Hitze 45 Minuten köcheln lassen. Zugedeckt stehen lassen (der Reis absorbiert noch mehr Wasser).

Abends Teig zubereiten. Trockenhefe im warmem Wasser auflösen (Frischhefe entsprechend anrühren). Zu den anderen Zutaten hinzufügen. Auf niedriger Stufe (oder mit einem Holzlöffel) 1-2 Minuten lang verrühren, bis alles Mehl angefeuchtet ist. Dann 5 Minuten lang ruhen lassen.

Bis zum Abend ist der Sauerteig schön aufgegangen

Auf mittlerer Stufe (oder mit der Hand) 2 Minuten lang kneten, dabei notfalls etwas Wasser dazugeben (vermutlich nicht nötig. Der Teig soll noch klebrig sein). Weitere 4 Minuten lang kneten. Teig soll immer noch etwas kleben.

Teig mit feuchten oder eingeölten Händen auf einer leicht eingeölten Arbeitsfläche zu einem Viereck auseinanderziehen und wie einen Geschäftsumschlag dreifach falten. Um 90 Grad drehen und von den kurzen Seiten genauso falten. (Stretch & Fold Technik lässt sich bei YouTube lernen). Ränder nach unten zu einem Ball zusammennehmen, und Teigball in leicht gefettete Schüssel legen (mit der Naht nach unten). 10 Minuten zugedeckt ruhen lassen.

Nach dem letzten Falten kommt der Teig in den Kühlschrank
 
Strecken und Falten noch 3 mal in 10-minütigen Abständen wiederholen (Dauer insgesamt 40 Minuten). Nach dem letztem Falten in einen eingefetteten Behälter mit Deckel legen und über Nacht in den Kühlschrank stellen (ich teile den Teig jetzt bereits in 2 gleiche Portionen).

2. TAG:
Teig 2 Stunden vor Gebrauch zum Aufwärmen aus dem Kühlschrank nehmen.

Über Nacht hat sich der Teig beinahe verdoppelt!

Ofen auf 225º C vorheizen, mit feuerfestem Gefäss zum Dampferzeugen auf oberster oder unterster Schiene und Backstein (wenn vorhanden).

Teig zu 2 runden oder länglichen Broten formen. In Gärkörbchen (Naht nach oben) 45 - 60 Minuten lang gehen lassen, oder so lange, bis sie sich um das 1 1/2-fache vergrössert haben. (Fingerprobe!)

Das Brot ist um das 1 1/2-fache aufgegangen
 
 Brote auf ein mit Backpapier belegetes Blech legen (oder direkt auf dem Backstein backen). Kreuzweise einschneiden (nicht zu zaghaft, die Kerben sollen tief genug sein).

Kreuzweise Schnitte machen ein hübsches Muster
 
In den Ofen schieben, dabei 1 Tasse kochendes Wasser in die aufgeheizte Dampfpfanne giessen. 20 Minuten lang backen, dann um 180 Grad drehen und die Dampfpfanne entfernen.

Weitere 15 - 20 Minuten lang backen. (Brot soll hohl klingen, wenn man auf den Boden klopft, und die Innentemperatur soll mindestens 93º C erreicht haben). Brote für weitere 10 Minuten im ausgeschalteten Ofen lassen, die Tür dabei einen Spalt öffnen (damit die Kruste nicht zu schnell wieder weich wird).

Herausnehmen und auf einem Kuchengitter auskühlen lassen.

Man kann die dunklen Wildreiskörner gut erkennen

Wie Reagan und Gorbatschow, hätten wir nach dem Genuss dieses wunderbaren Brots bereitwillig den Krieg beendet. JEDEN Krieg, ob heiss oder kalt! Es schmeckt leicht nussig und sehr saftig, und die Krume, gesprenkelt durch den dunklen Wildreis, ist auch sehr hübsch anzusehen.

Wir können uns also alle bei Danny Klecko für das Rezept bedanken, das die Berliner Mauer zum Einsturz brachte. Es hat Reagan und Gorbi so milde gestimmt hat, dass sie nicht anders konnten, als den Kalten Krieg zu beenden!

Dieser ursprünglich im Mai 2012 eingestellte Post wurde komplett überarbeitet

Bei Panissimo eingereicht:  Bread & Companatico
                                           Indovina chi viene a cena                                            
 

Mittwoch, 22. Mai 2013

ENGLISCHE MUFFINS - BRÖTCHEN AUS DER PFANNE


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Eigentlich hatte ich nicht erwartet, während unseres Hamburg-Besuchs überhaupt irgendetwas zu backen. Aber unsere nette, kleine Airbnb-Ferienwohnung in der Schanze, Hamburgs jüngstem und dreckigstem buntesten Viertel, hatte eine vollständig ausgestattete Küche, und ich genügend Zeit. 

Besetztes Haus im Schanzenviertel

Richard besuchte nämlich einen Intensiv-Deutschkurs: "so that you can't say nasty things about me on the phone anymore!" (Damit du am Telefon keine gemeinen Sachen mehr über mich sagen kannst!)

Morgens besuchte ich meine Mutter, und half ihr dabei, ihr Auto auf Hochglanz zu bringen. Meine Mutter ist 93, und ihr Honda Civic 19 Jahre alt, und beide sind total fit! Manchmal warf mein Sohn (der um die Ecke wohnt und arbeitet) seine fabelhafte Kaffeemaschine an, und ich brachte die Brötchen für einen gemütliche Morgenplausch mit. 

Mit meiner Mutter an der Alster
Das Mai-Projekt meiner ABC Backgruppe waren ENGLISH MUFFINS. Die haben übrigens nichts mit den üblichen, süssen Minikuchen gemein, sondern sind ein traditionelles, britisches Frühstücksgebäck, das nicht im Ofen, sondern einfach in der Pfanne gebacken wird. 
Bevor ich also anfing, ernstliche Back-Entzugserscheinungen entwickeln, kaufte ich lieber Eier, Milch, Mehl und Hefe, und rührte meinen Teig an.

Weil wir zu zweit weder 16 grosse Muffins vertilgen, noch frischhalten konnten, habe ich nur das halbe Rezept genommen. Wie man ein halbes Ei abmisst? In eine Tasse aufschlagen, mit der Gabel verrühren, und die Hälfte davon in den Teig löffeln!

Aus Gewohnheit, und um mir lästige Wartezeit zu ersparen, bereitete ich den Teig bereits am Vorabend zu und liess ihn über Nacht langsam im Kühlschrank aufgehen.

Einen so weichen und hartnäckig klebenden Teig zu verarbeiten, ist nicht so ganz ohne. Es hilft aber enorm, wenn man Arbeitsfläche, Hände und Zubehör einölt, und Pfanne (oder Plattengrill) und Backblech grosszügig mit Griess bestreut.

Verglichen damit ist das Backen der Muffins einfach, bei mir waren es jedesmal 15 Minuten für die eine Seite, aber nur 4 bis 5 Minuten für die andere, bis sie schön braun und gar waren.

Englische Muffins schmecken am besten, wenn man sie toastet

Englische Muffins spaltet man mit der Gabel, sie dürfen keinesfalls mit dem Messer aufgeschnitten werden, sonst haben sie nicht die erwünschten "Nooks and Crannies", unregelmässige Vertiefungen und Spalten. 

Wir haben sie getoastet und mit Butter und Himbeer-Rhabarber-Marmelade gegessen. Laut meinem Mann waren sie "exactly as English muffins should be". 

Genau der richtige Snack für einen "hungrigen Schuljungen"!

Richard ringt mit Deutsch, während ich einen geruhsamen Morgen geniesse

ENGLISH MUFFINS  (16)   (adaptiert von King Arthur Flour)

397 g lauwarme Milch 
  43 g weiche Butter
 6-8 g Salz (1 1/4 - 1 1/2 TL) (ich habe 8 g genommen)
  25 g Zucker (2 gestr. EL)
 1 Ei (Kl. M), leicht verschlagen
539 g Weizenmehl Typ 550
    6 g Trockenhefe (oder 18 g Frischhefe, entsprechend vorbereitet)
   Griess zum Bestreuen

Zutaten für Englische Muffins

1. TAG
Alle Zutaten in die Mixerschüssel geben. Mit den Quirlen oder dem Paddel (der Teig ist zu weich zum Kneten!) auf mittlerer Stufe rühren, bis der Teig anfängt, die Schüsselwände freizugeben. Er soll sehr glatt, glänzend und elastisch sein (ca. 5 Minuten).

Teig mit dem Teigschaber in eine leicht eingeölte Schüssel ausleeren, und von allen Seiten umfalten, damit er überall eingefettet ist. Mit Plastikfolie gut abdecken und zum Aufgehen über Nacht in den Kühlschrank stellen. (Oder, falls ihr am gleichen Tag backen wollt, Teig 1 bis 2 Stunden an einem warmen Ort reifen lassen, bis er schön aufgegangen ist).


2. TAG
Eine grosse gusseiserne oder antihaftbeschichtete Pfanne, oder einen Plattengrill, sowie ein Backblech mit reichlich Griess bestreuen. Arbeitsfläche, Teigschaber und Teigmesser (oder grosses Küchenmesser) einölen (der Teig ist nämlich ziemlich klebrig!)

Teig aus dem Kühlschrank nehmen und mit dem Teigschaber auf die Arbeitsfläche befördern. Mit eingeölten Händen sanft auf den Teig pressen, um ihn zu entgasen. In 16 etwa gleichgrosse Teile schneiden.

Teigstücke mit den Händen (falls nötig, nachfetten) erst zu einigermassen glatten Bällen rollen, dann flachdrücken, bis sie ungefähr 8 bis 9 cm Durchmesser haben. Die ersten 4 Muffins auf die vorbereitete (kalte) Pfanne (oder den Plattengrill), die übrigen erstmal aufs Backblech legen (sie brauchen keinen grossen Abstand).

Nach der Ruhezeit sehen die Muffins nur ein bisschen aufgepufft aus

Alle Muffins mit Griess bestreuen, mit Pergamentpapier oder Plastikfolie abdecken, und 20 Minuten lang ruhen lassen. Sie werden nicht viel aufgehen, nur ein bisschen anschwellen.

Muffins auf Pfanne oder Grill bei niedriger Hitze etwa 7 bis 15 Minuten pro Seite backen*), bis sie goldbraun und gar sind (Innentemperatur etwa 93°C). (Falls sie zu schnell braun werden, für 10 Minuten im 175ºC warmen Ofen nachbacken, oder so lange, bis sie völlig gar sind.) 

*) Bei mir hat die erste Seite 15 jeweils Minuten gebraucht, die andere aber nur 4 - 5 Minuten.

English Muffins, auf einer griessbestreuten Pfanne gebacken





















Fertige Muffins auf ein Kuchengitter legen, und die restlichen Muffins genauso backen.

NICHT VERGESSEN: Muffins in der Mitte mit einer Gabel spalten, nicht mit einem Messer durchschneiden. Mit der Gabel gespaltene Muffins haben wunderbare Vertiefungen und Spalten in der Krume; mit dem Messer geschnittene nicht!

1. Mai-Feiertag im Schanzenviertel

Man hatte uns wegen des 1. Mai-Feiertags gewarnt, in den Jahren davor hatte es nämlich reichlich Randale mit der Hausbesetzer-Szene gegeben. Aber es passierte rein gar nichts, und die Leute waren in Feiertagsstimmung und keineswegs auf Krawall gebürstet.

Also gingen wir wieder zu unserem Lieblingscafé um die Ecke. Deren Auswahl ist so reichhaltig und verlockend, dass man zahlreiche "Sitzungen" braucht, um all die Kuchen und Torten durchzutesten.

Schokoladen-Mousse-Torte und Cappucchino im Café Stenzel im Schulterblatt

Hatte ich schon erwähnt, dass unsere kleine Wohnung äusserst sportlich im 4. Stock gelegen war? Ohne Fahrstuhl? Wir sahen das als Aufforderung, uns ungehemmt an Kuchen, Brötchen, Dönern, Böreks und anderen guten Dingen zu laben, die in den Restaurants in der Nachbarschaft angeboten wurden.

Kneipen im Schanzenviertel haben ulkige Namen wie "Vier Fäuste" oder "Berliner Betrüger"

Neuerdings halten regelmässig Tourbusse im Schanzenviertel, und ganze Reisegruppen werden durch die mit Grafitti verschönten, antiautoritär vermüllten Hinterhöfe geführt. Die Hausbesetzer und ihre Punkfreunde sind nicht gerade begeistert davon, als Touristenattraktion vorgeführt zu werden!

Neue Sehenswürdigkeit in der Schanze: mit Grafitti bemalte Häuser und Hinterhöfe

Deshalb haben auch sie dieses Schild aufgestellt:



 Aktualisiert am 23.6.13

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Bei Panissimo eingereicht:  Bread & Companatico
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